Im Namen der Hose“ ist der Beweis dafür, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Trend der Sex-Podcasts verstanden hat und ihm nachkommt. Offen und ehrlich über Sex und Sexualität sprechen, ohne dabei „schmuddelig“ zu werden: So beschreiben Linda Becker und Ariane Alter ihren Sex-Podcast bei PULS. Ariane Alter ist Reporterin bei „PULS Reportage“ und Host des YouTube-Formates „Das schaffst du nie!“. Sie legt viel Wert auf eine freie, erfüllte und respektierte Sexualität, die jeder genießen dürfen sollte. PULS-Autorin Linda Becker beschäftigt sich hauptsächlich mit den Themen Sexualität und Feminismus.
Sexualität ist ein großer Teil unseres Lebens – und da gehören natürlich auch Liebe, Sex und Verbundenheit dazu. Wir sollten ausleben können, was wir uns wünschen und was wir uns wünschen, erfahren wir, wenn wir lernen, was es gibt.
Ariane Alter (Moderatorin)
In „Im Namen der Hose“ geht es um sexuelle Praktiken und Vorlieben, aber auch um verwandte Themen wie Geschlechtskrankheiten oder die Frage, wo genau nochmal die Prostata ist und was das mit Sex zu tun hat. Alter und Becker sprechen offen über ihre Erfahrungen: Was funktioniert im Bett und was geht gar nicht? Was macht an, was törnt ab? „Im Namen der Hose“ ist neben seiner (hohen!) Unterhaltungsfunktion daher auch ein Aufklärungspodcast – allerdings ohne Zeigefinger, Moralkeule und peinliche Berührtheit.

Am 14. Oktober 2017 ist der Podcast gestartet und erscheint seitdem mit einer Folge wöchentlich. Das Themengebiet der meist halbstündigen Episoden umfasst unter anderem Freundschaft plus, Dirty Talk, Ehrlichkeit im Bett, Pornosucht oder Orgasmuszwang für Männer.
Fast jeder schaut Pornos oder holt sich einen runter, aber keiner redet darüber, ohne direkt rot zu werden. Ist doch schade. Je offener man sagt, was man im Bett gut findet und was nicht, desto besser wird der Sex doch. Man soll ja Sex nicht einfach über sich ergehen lassen, sondern das soll Spaß machen. Und man soll vor allem ganz klar Nein sagen, wenn man etwas nicht möchte.
Linda Becker (Moderatorin)
Im Vergleich zum „Sex Tapes“-Podcast (unsere Rezension dazu findet ihr hier) sind die Folgen hier deutlich kürzer, weswegen gleich zwei von ihnen genauer unter die Lupe genommen werden sollen.
In der Episode „Sex in Serien“ dreht sich alles um die Frage, wie realistisch Sex in Serien ist und was es mit uns macht, bei Netflix & Co ständig mit nackter Haut konfrontiert zu sein. Zu Gast ist dazu Vanessa Schneider vom PULS-Serienpodcast „Skip Intro“. Schneider ist sich sicher: Noch nie zuvor wurde mehr Sex verfilmt und erotische Szenen direkter inszeniert. Das liegt hauptsächlich an den Streamingdiensten, die nicht der Freiwilligen Selbstkontrolle verpflichtet sind und so viel Erotik und Nacktheit einbauen können, wie sie wollen. Als Beispiel wird die Netflix-Serie „Bonding“ genannt, die sich um das Leben einer Psychologie-Studentin dreht, die als Domina arbeitet. Die ganze Serie ist auf das Sex-Business konzentriert und entsprechend explizit.
Interessantes am Rande: Bis vor kurzem gab es im Filmbusiness keine institutionalisierte Rolle, die sexuelle Inhalte mit Schauspielern, Regisseuren und Produzenten absprach. Erst im Laufe der MeToo-Debatte kam die Idee eines „intimacy coordinators“ auf, der als Vermittler dafür sorgt, dass das Machtverhältnis zwischen Regisseur und Darstellern ausgeglichen bleibt. Am Set der Netflix-Serie „Sex Education“ gab es erstmalig einen „intimacy coach“, der mit den jugendlichen Darstellern die intimen Szenen besprach und betreutet. So sollte das Wohlfühlen am Set sichergestellt werden.
Darüber hinaus kommen im Podcast auch die Tipps und Tricks hinter den Kulissen zur Sprache – von hautfarbener Unterwäsche, Penisprothesen (wie sie beispielsweise Shia LaBeouf in „Nymphomaniac“ trug), Schamhaar-Toupets oder Satinstrümpfen, die über das Glied gestülpt werden können. Bizarr und faszinierend zugleich!

Eine andere Folge beschäftigt sich mit Asexualität. Dass manche Menschen überhaupt kein Verlangen nach Sex haben, scheint nicht richtig in unser Weltbild zu passen – dabei sind ein Prozent der Bevölkerung von Asexualität betroffen. Zum Beispiel die 19-jährige Katharina, die sich selbst als asexuell beschreibt. Sex hatte sie noch nie, und auch in näherer Zukunft kann sie sich nicht vorstellen, darauf Lust zu haben: „Ich muss nicht mit jemandem schlafen, um zu wissen, dass ich asexuell bin“, sagt sie. Höchstens zur Kinderzeugung könne sie sich Geschlechtsverkehr vorstellen.
Definitorisch versteht man unter einem asexuellen Menschen „eine Person, die kein Verlangen nach sexueller Interaktion hat“. Darunter fällt ein ganzes Spektrum an Situationen, beispielsweise kann man zwar asexuell, aber gleichzeitig hetero-romantisch sein. Alter und Becker sprechen über Vorurteile und doofe Sprüche (à la „Da musst du nur einmal richtig durchgenommen werden, dann kriegst du schon Lust auf Sex“), lassen Beteiligte zu Wort kommen und absolvieren einen Online-Test, mit dessen Hilfe sie sich selbst auf der Asexualitäts-Skala einordnen können.
Die vielschichtigen Aspekte des Themas machen den Podcast überaus hörenswert. Die schwierigere Partnersuche zum Beispiel. Eine Betroffene erzählt, wie sie sich in einen jungen Mann verliebte, ihn mehrmals traf und auch küsste – danach ging es aber nicht mehr weiter. Als er mehr wollte, fühlte sie sich bedrängt und „falsch gepolt“, sie verspürte einfach keine Lust auf Sex. Dass der Partner dies als Ablehnung wahrnahm, ist denkbar; weitere Kompromisse und Arrangements waren in der Beziehung unvermeidlich.
Das Tempo des Podcasts ist flott, die beiden Frauen reden angenehm schnell und unverkrampft. Die vielen eingestreuten persönlichen Anekdoten tun dem natürlichen Charme des Podcasts keinen Abbruch. Auch die Straßenumfragen, die zum jeweiligen Thema ein amüsantes Meinungsbild einholen sollen, sind amüsant. Im Vergleich zu „Sex Tapes“ ist „Im Namen der Hose“ wesentlich unterhaltsamer, kurzweiliger sowie besser recherchiert und vorbereitet. Kopfhörer auf und einfach mal reinhören!
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