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Reingeschaut: „Queer Asia-Vietnam“

Was bedeutet queer sein in Vietnam? Mit der Regenbogenflagge durch Ho Chi Minh City zu fahren, im Untergrund Draq Shows zu besuchen oder Dating Apps wie Grindr zu nutzen? Der Filmermacher Nong Nhat Quang versucht, darauf Antworten zu finden.

Für den jungen Filmemacher Nong Nhat Quang war es schwer, in der Provinz Lao Cai, einer konservativen Region mit vielen ethnischen Gruppen, schwul aufzuwachsen. Auffallend zu sein bedeutete, dass Mobbing an der Tagesordnung war, ebenso wie die permanente Angst, in der Öffentlichkeit geoutet zu werden. Er benutzte Grindr, um Fremde oder Touristen 20 Kilometer entfernt in Sapa zu treffen. Um seine Eltern nicht zu belasten, hielt er seine wahre Identität geheim. 2015 beendete er die Schule und zog in die vietnamesische Hauptstadt Hanoi. In der Millionen Metropole sah er die Möglichkeit, unabhängig zu leben und aus seiner Hülle auszubrechen.

Queer Asia – Vietnam

Alle seine Erfahrungen und Erlebnisse in der Großstadt flossen in eine dreiteilige Kurzdokumentation: Queer Asia – Vietnam ein, die darauf abzielte, wichtige Themen innerhalb der vietnamesischen LGBTQ Community anzusprechen, wie die entmenschlichende App-Kultur, den Mangel an sicherem Verbindungsraum und Probleme mit dem Körperbild.

 Die erste Episode konzentriert sich auf die Geschichte der queeren Kultur in Vietnam. Wie kamen der LGBTQ-Begriff und Regenbogenflaggen nach Vietnam und wer sind die Menschen, die sich tagtäglich für eine offene vietnamesische Gesellschaft einsetzen? Die zweite Episode begleitet Dan Ni,einen Grafikdesigner, Teilzeitmodell und Drag Performer.  Hier kommen Online-Dating-Apps und offene Beziehungen zur Sprache.

In der letzten Episode begleitet der Filmemacher Nong Nhat Quang die 73-jährige Frau Thi, die auf dem Land in Nordvietnam lebt und einen schwulen Sohn hat. Queer Asia – Vietnam nimmt die Zuschauer*Innen mit auf eine Achterbahnfahrt der Emotionen und zeigt, was für ein hybrides Bild in der vietnamesischen Gesellschaft vorherrscht.

Der Einfluss des Konfuzianismus auf Geschlechterrollen

Frühere Studien über Geschlecht und Sexualität in Vietnam befassen sich mit der bedeutenden Rolle des Konfuzianismus, einer Philosophie, die durch die chinesische Herrschaft nach Vietnam gebracht wurde. Obwohl die Lehre im Laufe der Zeit an Einfluss verloren hat, sind konfuzianische Geschlechternormen in den vietnamesischen Alltagspraktiken und Diskursen nach wie vor weit verbreitet. Im Mittelpunkt der Lehre des Konfuzianismus steht die Theorie von Yin und Yang, die Vorstellung, dass das Leben aus zwei gegensätzlichen, sich aber ergänzenden Kräften entsteht. Die Suche nach der Vereinigung zwischen Yin und Yang soll daher zu Glück und zur rechtmäßigen, natürlichen Ordnung der Welt führen. Da Männer und Frauen in dieser Philosophie als gegensätzliche Energien vertreten sind, weckt sie die kulturelle Erwartung an eine heterosexuelle Vereinigung und stigmatisiert gleichzeitig gleichgeschlechtliche Beziehungen als „unnatürlich“.

Die konfuzianische Geschlechternormen wurden von der Kommunistischen Partei Vietnams während und nach dem Vietnamkrieg weitgehend abgelehnt, da sich die Partei auf die Teilnahme von Männern und Frauen am Schlachtfeld und an der Reform der Nachkriegswirtschaft stützte. Für diejenigen, deren Geschlecht und Sexualität von der Norm abweichen, gab es in diesem Zeitraum keine Erwähnung im Gesetz, was es für Beamte, die sich mit Fällen im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit befassten, schwierig machte. So fand 1997 in Ho Chi Minh City die erste öffentliche Hochzeit zwischen zwei Männern statt. Obwohl das Ereignis von der Öffentlichkeit verurteilt wurde, konnte die Polizei das Paar nicht strafrechtlich verfolgen, da es kein Gesetz über die gleichgeschlechtliche Ehe gab.

Vorzeigeland Vietnam

In den vergangenen Jahren hat Vietnam positive Fortschritte gemacht. Gleichgeschlechtliche Beziehungen und gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sind legal. Das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen wurde im Januar 2015 aufgehoben und das vietnamesische Parlament beschloss das erste Transsexuellen-Gesetz des Landes: Transsexuelle haben damit das Recht, ihr Geschlecht in Dokumenten wie der Geburtsurkunde zu ändern sowie geschlechtsanpassende Operationen durchzuführen. Viet-Pride-Märsche finden seit sieben Jahren in Hanoi und Ho Chi Minh City statt und homosexuelle Charaktere tauchen in Mainstream-Fernsehen auf.

Homosexualität bleibt ein Tabu Thema

Was für ein großer Fortschritt in so kurzer Zeit, mag man denken! Ja, auf Gesetzesebene ist Vietnam ein Vorzeigeland. Allerdings werden queere Menschen in der vietnamesischen Gesellschaft noch lange nicht akzeptiert. Das Thema bleibt im Land nach wie vor tabu. Die Leute sagen, dass sie tolerant sind, aber verhalten sich nicht so. Gleichgeschlechtliche Paare haben Angst, ihr Gesicht zu verlieren und den Namen der Familie zu „beschmutzen“. Deshalb ziehen queere Vietnamesen es vor, ihre Sexualität zu verbergen, besonders vor ihren Eltern und Verwandten, aus Angst davor, ausgegrenzt und isoliert zu werden. Außerdem sind viele Vietnamesen davon überzeugt, dass Homosexualität eine Krankheit sei, die geheilt werden kann. Wegen der ablehnenden Haltung der Gesellschaft versammelt sich die LGBTQ Community oft an bestimmten Orten, um Verständnis von anderen zu suchen und frei zu sein. Die Orte, die sie besuchen, sind sehr unterschiedlich, von unterirdischen Bars und Pubs bis hin zu Universitäten. 

Umso wichtiger ist es, dass die vietnamesische LGBTQ Community sichtbarer wird. Dokumentationen wie von Nong Nhat Quang zeigen,dass die queere Kultur in Vietnam blüht und die Arbeit von LGBTQ-Rechtsorganisationen Früchte tragen.

Titelbild: © Hanoi Pride Facebook

 

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