Die Geschichte von den Bienchen und Blümchen- damit fängt häufig Sexualaufklärung an. In unserer Reihe „Nachgefragt“ erzählen uns verschiedene Menschen, wie Aufklärung bei ihnen stattgefunden hat. In den ersten Geschichten haben wir Migrant*innen gefragt. Denn hier findet sexuelle Bildung manchmal anders statt oder gar nicht. Den Anfang macht die Grafikdesignerin Han Le.
Wann bist du das erste Mal mit dem Thema Sex in Berührung gekommen?
In der Grundschule. So richtig kann ich mich nicht mehr an den Unterricht erinnern, bis auf eine Stunde. Da hat mein Klassenlehrer uns Tampons mitgebracht und wir durften diese in mit Tusche rotgefärbtes Wasser eintauchen, um zu gucken, was passiert (lacht). Außerdem durften wir Kondome über Gurken stülpen, der Klassiker. Es kam auch mal eine Sexualpädagogin, die dann exklusiv mit uns Mädchen über Sachen wie die Periode oder Schwangerschaft angesprochen hatte. Ich weiß nicht mehr, ob ich danach das Gefühl hatte, „aufgeklärt“ zu sein. Ich glaube eher nicht. Jedenfalls hatte ich aber sonst das Gefühl, nicht so extrem schambelastet damit umgehen zu können, zumindest mit Freundinnen. Wir haben ganz normal über wachsende Genitalbehaarung oder unsere Periode erzählen können, auch wenn die Vorstellung natürlich trotzdem unangenehm war, plötzlich im Unterricht (an der Tafel!) die Periode zu bekommen. Ich weiß jedoch, dass „sexuelle Aufklärung“ in allen Fällen immer nur rein biologischer Art war. Es ging niemals um sexuelle Aufklärung in einem sozial-gesellschaftlichen Rahmen, über Einvernehmen, über Grenzen und Annäherung.
Wo hast du dich informiert, wenn du Fragen hattest?
Meine „Aufklärung“ läuft gefühlt bei mir immer noch ab (ich werde 29). Ich hatte Kontaktpunkte in der Grundschule und im Bio-Unterricht auf dem Gymnasium, aber immer sehr bruchstückhaft und irgendwie als gefühlte „Special-Stunden“, sodass ich nicht das Gefühl hatte, der Stoff wird in den „wirklichen“ Unterricht eingebettet. Mein weißer Freund, dessen Mutter unter anderem Jugendliche über Verhütung, körperliche und hormonelle Umstellungen unterrichtet, weiß natürlicherweise viel mehr als ich über den weiblichen Zyklus und Verhütungsmittel, was eigentlich peinlich ist. Fragen habe ich irgendwann dank des Internets beantworten können.
Wie wurde das Thema in deiner Familie behandelt?
Meine Eltern haben mich gar nicht aufgeklärt. Meine Mutter hat mir stattdessen erklärt, wie man die Unterhose vorwaschen soll, wenn das Periodenblut trotz Binde auf die Unterhose gelaufen ist. Und ja, ich habe bis zu meinem ersten Mal Sex nur Binden benutzt, weil meine Mutter mir mal explizit, die ganze Zeit suggestiv, vermittelt hat, dass Tampons quasi Mini-Pimmel seien. Nachdem ich zum ersten Mal mit einem Jungen geschlafen hatte und es meiner Mutter erzählte, habe ich erwartet, dass sie wütend auf mich sein wird. War sie zum Glück nicht, aber ihre erste Frage war: Habt ihr verhütet? Finde ich im Nachhinein eigentlich ziemlich interessant, dass sie das so zielstrebig wissen wollte, denn über Verhütungsmethoden habe ich vorher nie mit ihr gesprochen…
Hast du einen Unterschied zu deinen deutschen Freunden gespürt in Sachen Aufklärung?
Wie bereits erwähnt habe ich manchmal immer noch das Gefühl, nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein oder jemanden Aufgeklärtes (also einen Erwachsenen) zu haben, den ich einfach alles hätte fragen können. Es passiert mir heute immer noch, dass ich dermaßen naive Fragen stelle, weil ich es einfach nicht besser weiß, was mir dann peinlich ist. Einen großen Unterschied zu Deutschen habe ich gespürt, als ich ein Mädchen war und statt Tampons nur Binden benutzt hab. Da wusste ich aber, dass andere nicht-deutsche Mädchen auch eher Binden benutzten, und fand das dann nicht ganz so schlimm. Aber irgendwie wusste ich, dass Tampons „cooler“ waren. Ich glaube aber, dass wir damals in der Grundschule alle ähnlich unaufgeklärt waren. Einmal eröffnete mir eine deutsche Freundin, wir waren so Anfang 20, dass sie noch nie masturbiert hatte, beziehungsweise es komisch findet sich anzufassen. Da bin ich aus allen Wolken gefallen. Zum Glück fehlte es mir nie an sexueller (Selbst-)Befriedigung.
Titelbild: © @josefin via Unsplash
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